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Aufmaß der Wallburg im Havixbrock von L. Hölzermann, o. M. (Lehmann 2011, Abb. 10).

Das "Germanenlager" im Havixbrock bei Lippborg

Das sogenannte „Germanenlager“ im Havixbrock liegt etwa 5 km südlich von Beckum, am Südrand der Beckumer Berge in einem Waldgebiet. Das Gelände ist insgesamt sehr feucht und wird heute daher von vielen Drainagegräben durchzogen. Im Norden der Anlage erstreckt sich ein intensiv ackerbaulich genutztes Gebiet.

Der Havixbrock wird durch den Frölicher Bach durchzogen, der sich im Laufe der Zeit tief in den Untergrund eingegraben hat. Die Wallburg wurde, die Topografie ausnutzend, in einer Biegung dieses Baches angelegt, sodass sie nahezu von drei Seiten durch den tiefen Abhang zum Bach natürlich geschützt wird und nur die Ostseite zusätzlich künstlich befestigt werden musste.

Die Erforschung der Befestigungsanlage beginnt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit den Erkundungen des preußischen Oberleutnants Friedrich-Wilhelm Schmidt. Im Jahre 1878 wurde schließlich der erste genaue Plan der Wallburg veröffentlicht. Seit dieser Veröffentlichung trägt sie die Bezeichnung „Germanenlager“. Erste laienarchäologische Untersuchungen innerhalb der Anlage fanden im Jahre 1951 statt, deren Ergebnisse 1988 durch die LWL-Archäologie für Westfalen, Außenstelle Olpe, überprüft wurden. Die letzten Untersuchungen auf dem Gebiet in Form einer systematischen Metallsondenprospektion durch die Altertumskommission für Westfalen fanden im Jahre 2009 statt.

Nähere Informationen zur Anlage

Aufbau & Befunde

Im Umfeld der Wallburg sind diverse weitere Wälle und Gräben nachgewiesen, die aber nicht alle mit der Anlage in Verbindung stehen müssen.

Das Zentrum dieser Wallstrukturen bildet das abgerundet rechteckige Kernwerk mit einer Innenfläche von etwa 1,1 ha. Der 15 m breite und bis zu 3 m hohe Wall wird auf der Außenseite von einem bis zu 2 m tiefen Graben umgeben. Im Norden des Wallrunds befindet sich der ehemalige Zugang in Form einer etwa 5 m breiten Erdbrücke. Eine weitere Wallunterbrechung im Süden ist rezentem Ursprung. Spuren einer Innenbebauung lassen sich in der Südwestecke der Anlage in Form eines durch kurze Wallstücke abgetrennten, 135 m² großen Bereichs feststellen. Dieser war wohl ehemals von Trockenmauerwerk eingerahmt.

Eine weitere Befestigung in Form eines deutlich schwächer ausgeführten Abschnittswalles mit vorgelagertem Graben, der die Bachschleife nach Osten hin abriegelt, ist dem Kernwerk östlich vorgelagert. Er schließt eine Fläche von etwa 5,1 ha ein und wird von wahrscheinlich neuzeitlichen Lücken unterbrochen. Am ehesten dürfte es sich bei der größeren, im Süden befindlichen Walllücke um einen alten Durchgang, eventuell in Form eines Zangentores, handeln. In der Wallmitte wird eine vermutliche Quelle durch kurze Wallstücke eingerahmt.

Die Funktion und Zeitstellung der weiteren, im Süden, Osten und Norden der Anlage befindlichen Abschnittswälle, denen teilweise Gräben vorgelagert sind, ist unbekannt.

Plan der Anlage von 1958 (Altertumskommission/Menne auf Grundlage von LWL-AfW/Bennemann).

Funde & Datierung

Bei den archäologischen Grabungen, die sich primär auf das südwestliche Wallgefiert konzentrierten, konnten verschiedene Funde gemacht werden. Dabei dominiert die Keramik, es wurden aber auch Knochen und Eisenobjekte aufgedeckt. Die Keramikscherben stammen grob aus dem 9. bis 11. Jahrhundert. Es handelt sich dabei primär um lokal produzierte Ware, allerdings kommen auch Stücke aus Nordhessen und dem Rheinland vor. Zudem konnte auch eine Scherbe Badorfer Machart mit Rollstempeldekor gefunden werden, die sich eindeutig in die zweite Hälfte des 9. Jahrhunderts datieren lässt.

Bei der Metallsondenprospektion konnten indes weitere Fundstücke aufgedeckt werden. So stammen aus dem nördlichen Torbereich zwei Pseudomünzfibeln, die dem späten 10. bis frühen 11. beziehungsweise dem späten 9. bis frühen 10. Jahrhundert angehören, sowie ein Hufeisen mit Wellenrand. Aus dem Inneren des Haupwalles wurden zudem zwei spinnwirtelartige Bleiobjekte geborgen. Ein Buntmetallbeschlag mit Radkreuzmotiv, zu dem Parallelen aus den Niederlanden existieren, stammt aus der äußeren Umfassung und datiert wahrscheinlich in die Karolingerzeit.

Durch diese Funde konnte die Nutzungszeit der Anlage zwischen dem 9. und 11. Jahrhundert bestätigt werden.

ZIerbeschlag von der Wallburg im Havixbrock (LWL-AfW/Brentführer).

Historisches zur Wallburg und ihrem Umfeld

Erste Erwähnung findet die Befestigung erst relativ spät in einer Urkunde von 1548, in der sie als „de Hunessche borch“, was soviel wie „Hünenburg“ bedeutet, bezeichnet wird. Allerdings weisen archäologische Funde in der Umgebung der Anlage darauf hin, dass im Gebiet um Beckum bereits vom 6. bis zum 9. Jahrhundert einflussreiche Familien sesshaft waren.

Mit dem Übergang des wenig südlich gelegenen Fronhofverbandes Herzfeld in den Besitz des Klosters Werden im späten 9. Jahrhundert rückte vermutlich auch die zu dieser Zeit bereits bestehende Anlage in das Zentrum der frühen Werdener Besitzungen. Der gefundene Beschlag bekräftigt diese Verbindung, da die Vergleichsfunde ebenfalls aus dem Bereich Werdener Güter stammen. Da durch Schriftquellen Ungarnüberfälle auf die Kirche in Herzfeld nachgewiesen sind, könnte die Wallburg den Bauern der Umgebung zu dieser Zeit Schutz geboten haben.

Zwar kann kein Erbauer oder Besitzer der Anlage namentlich ermittelt werden, sie steht aber wohl in der Beziehung zu einigen Hochadelsgeschlechtern, deren Mitglieder von den Sachsenkriegen bis in die Zeit um 1100 im östlichen Münsterland eine tragende Rolle spielten.

Luftbild der Wallburg von 2013 (RUB/Song).

Literatur

U. Lehmann, Das „Germanenlager“ im Havixbrock bei Lippborg, Gemeinde Lippetal, Kreis Soest. Frühe Burgen in Westfalen 32 (Münster 2011).

Weiterführende Literaturauswahl

H.-J. Frick, Karolingisch-ottonische Scheibenfibeln des nördlichen Formenkreises. Offa 49/50, 1992/1993, 243-463.

W. Holtmann, Bericht über Grabungstätigkeiten in der Ringwallanlage „Germanenlager“ im Havixbrock bei Beckum. Vereinsmitteilungen des Geschichtsverein für Beckum und Beckumer Berge e.V. 1, 1990, 13-23.

U. Lehmann, Ein frühmittelalterlicher Zierbeschlag aus dem „Germanenlager“ im Havixbrock. AiWL 2009, 2010, 54-57.

U. Lehmann, Das „Germanenlager“ im Havixbrock bei Lippborg, Gemeinde Lippetal, Kreis Soest. Frühe Burgen in Westfalen 32 (Münster 2011).

A. Schulte, Bericht über die Schürfung in der SW-Ecke der Wallburg im Havixbrock am 29.9.1951. In: A. Schulte, Zwischen Ems und Lippe. Vorträge und Aufsätze zur Geschichte des Beckumer und Warendorfer Landes. Quellen und Forschungen zur Geschichte des Kreises Beckum 5 (Beckum 1972) 206-210.

A. D. Verlinde, Archeologische kroniek van Overijssel over 1988. Overijsselse Historische Bijdragen 104, 1989, 165-192.