Der Burggraben bei Netphen
Die Befestigungsanlage liegt nicht weit nördlich von Netphen in einem forstwirtschaftlich genutzten Areal auf der Kuppe eines langgestreckten Höhenzuges. Dieser wird im Süden durch das Tal der Sieg, im Westen und Osten durch das Tal kleinerer Bäche begrenzt. Die Mikroregion mit einem Radius von 3 km um den Burggraben ist als ackerbaulicher Gunstraum zu bezeichnen. Das Areal der Anlage selbst wurde vom Königlich-Preußischen Bergamt 1858 zur „Grube Reichsapfel“ auf Eisen erhoben.
Die Anlage gehört mit ihrer Ersterwähnung im Jahre 1856 zu den ältesten bekannten Befestigungen im südlichen Westfalen. Eine erste Kartierung und Beschreibung der Strukturen erfolgte schließlich 1881, bevor seit den 1910er-Jahren zahlreiche Schürfungen im Areal durchgeführt wurden. Die ersten archäologischen Untersuchungen wurden dann 1932 durch die Altertumskommission für Westfalen angestellt. In den 1950er-Jahren kam es zu weiteren Geländearbeiten, die allerdings eher als Zerstörung denn als Untersuchung zu bezeichnen sind. Proben für eine erste Datierung lieferten Maßnahmen im Jahre 1963. Nach der Anlage eines nicht genehmigten Mountainbike-Parcours innerhalb der Anlage wurden schließlich 2018 und 2019 neue Untersuchungen über den Burggraben durchgeführt.
Nähere Informationen zur Anlage
Aufbau & Befunde
Das Bild der Anlage wird durch moderne Bergbauaktivität gestört, die in Form von mehreren Suchschürfen und einem Schacht mit Halde teilweise in die Wälle eingreifen.
Der Burggraben besteht aus einem Wallring mit annähernd fünfeckiger Form und einer Innenfläche von etwa 1,4 ha. Er wird im Norden und Süden jeweils von einem Tordurchlass unterbrochen. An diesen Stellen ist dem Hauptwall jeweils ein kleinerer Vorwall vorgelagert.
Der Hauptwall ist noch bis zu 2 m hoch erhalten. Ihm ist ein Spitzgraben von bis zu 1,8 m Breite vorgelagert. Der Wall wurde wahrscheinlich aus einer Holzfront mit Ständerpfosten und Erdhinterschüttung gebildet, wobei die Pfosten mit Zugankern im Erdwall befestigt wurden. Steinpackungen in den Wallschnitten belegen die Stabilisierung der Pfosten mit Steinen und lassen eine teilweise Steinvorblendung der Holzwand als wahrscheinlich erscheinen. Massive Holzkohlelagen zeugen von einer Brandkatastrophe.
Die Vorwälle sind insgesamt niedriger als der Hauptwall, besitzen aber ebenfalls vorgelagerte Gräben und wahren eventuell durch eine Palisade befestigt. Sie sind den Toren in geringem Abstand vorgesetzt, was zur Bildung einer torgassenähnlichen Situation führt, welche sicherlich von besonderem fortifikatorischem Nutzen war.
Funde & Datierung
Aus dem Umfeld des Burggrabens stammen einige Feuersteinartefakte, die größtenteils aus der Mittelsteinzeit stammen und die Begehung des Sattels schon zu dieser Zeit beweisen. An Keramik konnten vor allem innerhalb der Wälle Scherben vorgeschichtlicher Machart aufgefunden werden, die wohl aus der Eisenzeit stammen. Sicherlich verlagerte mittelalterliche Keramikfragmente kommen nur außerhalb der Wälle auf den umliegenden Äckern vor, sodass angenommen werden muss, dass die Befestigung wahrscheinlich aus der Eisenzeit bis zum Frühmittelalter stammt und eine ältere, steinzeitliche Fundstelle zumindest teilweise stört.
Radiokarbondatierte Holzkohlen aus den Wällen, die stratigrafisch allerdings nicht näher eingeordnet werden können, stammen aus dem 4. bis 6. Jahrhundert n. Chr. Aufgrund dieser Erkenntnisse und wegen eines alten Wallschnitts, der vermutlich mehrere Wallbauphasen zeigt, legt die Vermutung nahe, dass es sich bei der Anlage um eine im Frühmittelalter nachgenutzte, eisenzeitliche Befestigung handelt.
Ein Bezug zur nahegelegenen, sicher eisenzeitlichen Wallburg „Alte Burg Netphen“ ist aufgrund von Sichtfeldanalysen ebenfalls denkbar.
Überlegungen zum Bauaufwand der Anlage
Aus den Wall- und Grabenschnitten wurden die minimalen Mengen an benötigtem Baumaterial errechnet. Demnach mussten für den Kernwall etwa 3500 m³ Erdmaterial mit einem Gewicht von etwa 6000 t bewegt werden. Hinzu kommt ein Bedarf von mindestens 1100 Festmetern Holz, was einer Menge von 183 bis 220 Buchen entspricht. Dabei ist zu beachten, dass sicherlich mehr Holz benötigt wurde, da in die Berechnungen unter anderem die Zuganker nicht miteinbezogen wurden. Nach einer Hochrechnung hätten für die Errichtung der Anlage also insgesamt 200 Arbeiter bei einem Arbeitstag von 10 Stunden mindestens 60 Tage lang arbeiten müssen. Rechnet man die nicht berücksichtigten Arbeitsschritte mit ein, verdoppelt sich die Errichtungsdauer auf 120 Tage.
Literatur
M. Zeiler/M. Baales, Der Burggraben bei Netphen, Kreis Siegen-Wittgenstein. Frühe Burgen in Westfalen 46 (Münster 2021).
Weiterführende Literaturauswahl
M. Baales, Die ältesten Siedlungsspuren aus dem Siegerland – Eine Übersicht des aktuellen Forschungsstandes zur Steinzeit. Siegerland 93, 2016, 3-40.
A. Stieren, Burggraben bei Niedernetphen. BAW 1 (Münster 1929) 57.
M. Zeiler/S. Sebald/B. Sikorski, Neue Forschungen zu den eisenzeitlichen Wallburgen des Siegerlandes. AiWL 2017, 2018, 203-206.