Die Burg bei Marl-Sinsen
Die Anlage liegt südlich von Marl-Sinsen auf einer großen, etwa halbkreisförmigen Sandinsel, die sich zu ihrem Umfeld nur maximal 3 m abhebt und zählt zu den wenigen großen früh- bis hochmittelalterlichen Flächenburgen, die nicht als Höhenburg ausgeführt wurde. Die östliche und südöstliche Grenze der Burg wird durch den Nieringsbach begrenzt, die West- und Südwestseite wurde ehemals durch den heute kanalisierten Brüninghoffer Bach begleitet. Im Norden liegt zudem ein großes Sumpfgebiet, sodass die Befestigungsanlage durch ihre topografische Lage bestens geschützt wird.
Eine erste Vermessung der Anlage mitsamt Aufnahme einiger Wallprofile fand im Jahre 1925 statt, bevor 1955 eine fotografische Dokumentation der Überreste erfolgte. Aufgrund der Planungen des Straßenbaus quer durch die Befestigungen wurden in den Jahren 1972 bis 1975 mehrere Schnitte im betreffenden Bereich angelegt, die aufgrund parallellaufender Vorarbeiten und Personalmangel allerdings nur kleine Teile der im Anschluss zerstörten Fläche betrafen.
Heute liegt die Burg in einem Naturschutzgebiet. Daher dürfen die Wege nur mit einer Ausnahmegenehmigung verlassen werden, um die Wälle genauer zu erkunden.
Nähere Informationen zur Anlage
Beschreibung der Anlage
Die Anlage besteht aus einem äußeren und einem inneren Wall sowie weiteren Annexwällen. Dabei zeichnen sich bei den Wällen mehrere Bauphasen ab.
Der Außenwall mit seiner Länge von etwa 1100 m umfasst eine Fläche von 18 ha. Er setzt im Westen unmittelbar an der Grenze zum nördlichen Sumpfgelände an, welches nicht durch eine Befestigung abgegrenzt wurde. Er verläuft schließlich in einem weiten Bogen nach Südosten und wird etwa nach einem Drittel durch die Straße zerschnitten. Im südöstlichen Bereich konnten zwei Tore nachgewiesen werden. Im Südosten biegt der Wall in einer kurzen Kurve nach Norden ein und trifft kurz hinter der Straße auf den Innenwall. Er verläuft kurz parallel zum Nieringsbach, führt nach dessen rechtwinkligem Abbiegen nach Westen aber weiter nach Norden, bevor er erneut mit dem Bach zusammentreffend endet. Er ist nur dort, wo kein natürlicher Schutz durch ein Bachtal vorliegt, teilweise von einem Graben begleitet.
Die innere Burg umfasst etwa 2 ha und wurde nachträglich im Bereich des östlichen Endes in den Außenwall eingebaut. Dieser bildet auch die Ostseite der Befestigung, im Norden und Nordwesten begleiten weitere Wälle den hier verlaufenden Nieringsbach als Grenze der Anlage. Im Westen und Süden wird die Struktur durch einen Doppelwall mit dazwischen liegendem Graben gebildet. Aufgrund fehlender Grabungen ist eine Aussage über mögliche Zugänge nicht möglich
Die Annexwälle im Osten, Süden und Westen stehen nur eventuell in direkter Beziehung mit der Gesamtanlage, zumindest der Ostannex weist allerdings ein Tor auf.
Aufbau der Wälle & Befunde
Der Außenwall konnte flächig untersucht werden und wies noch eine Höhe von 1,2 m und eine Breite von 8 bis 9 m auf, der vorgelagerte Graben war bis zu 2,5 m breit. Konstruiert wurde der Wall, indem in regelmäßigen Abständen Holzkästen aufgereiht und diese zunächst mit Erde gefüllt wurden. Die Kästen waren weder im Boden verankert noch untereinander verbunden. Danach wurden die Zwischenräume und die Wallkrone mit Material aus dem Graben aufgefüllt, sodass eine zusammenhängende Befestigungslinie entstand. Diese Bauweise ist bislang überregional einzigartig. Über die Konstruktion der anderen Wälle kann aufgrund fehlender Grabungen nichts gesagt werden.
Im östlichen Bereich des Außenwalles konnte auf der Straßentrasse ein mehrphasiges Gebäude nachgewiesen werden, welches als Hauptgebäude eines Gehöfts interpretiert wird. Diesem westlich vorgelagert ist ein Spitzgraben, der wahrscheinlich das Hofareal abgrenzte. Die Befunde im Zusammenhang des Gebäudes werden teilweise durch den äußeren Graben überlagert.
Funde & Datierung
Aus dem Innenbereich des Außenwalles stammen sehr viele Keramikscherben, die aus der Eisenzeit datieren. Aus dem Kontext des Gehöftes konnten darüber hinaus jüngere Scherben gewonnen werden. Diese datieren aus dem 8. und 9. beziehungsweise aus dem 9. und frühen 10. Jahrhundert, was Anhaltspunkte für die Einordnung der mindestens zwei Bauphasen des Hauptgebäudes liefert. Bei der Keramik handelt es sich teilweise um hochwertige Ware, die auf einen gehobeneren Lebensstandard der Bewohnenden hinweist. Neben der Keramik liegen Hinweise auf lokale Eisenverhüttung vor.
Der Tatsache geschuldet, dass diese Befunde durch den großen Außenwall überlagert werden, muss dieser also als zeitlich jünger interpretiert werden. Die zur Außenbefestigung stratigrafisch jüngere innere Befestigung ist demnach den jüngsten Befunden der Burg zuzuweisen.
Höchstwahrscheinlich ist die große Anlage aus Angst vor den Wikingereinfällen im späten 9. und 10. Jahrhundert entstanden. Die Errichtungszeit des inneren Einbaus ist nicht zu klären.
Literatur
C. Grünewald, Die Burg bei Marl-Sinsen, Kreis Recklinghausen. Frühe Burgen in Westfalen 45 (Münster 2020).
Weiterführende Literaturauswahl
K. Brand, Die Sinsener Volksburg. In: Frühgeschichtliche Bodenforschung im mittleren Ruhrgebiet (Paderborn 1952) 213-220.
P. R. Hömberg, Die archäologische Untersuchung der Wallburg Sinsen. Vestische Zeitschrift 76, 1973, 123-130.
A. Speckmann, Ländlicher Hausbau in Westfalen vom 6./7. Jahrhundert bsi zum 12./13. Jahrhundert. BAW 49 (Mainz 2010).
A. Verstege, War die Burg bewohnt? Grabungen mit Abstrichen in der Sinsener Burg, Vestischer Kalender 46, 1975, 142-149.