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Skizze des "Weege Turms" auf dem Bienberg nordwestlich der Stadt (LA NRW, Abt. OWL, L 82, Nr. 405/2).

Die Landwehren der Stadt Lemgo

Das Lemgoer Landwehrsystem bestand aus verschiedenen, teilweise eigenständigen Wall-Graben-Abschnitten, die zur Zeit ihrer größten Ausdehnung insgesamt eine Länge von etwa 65 km aufwiesen. Die Anlagen umfassten zusammen ein Gebiet von etwa 60 Quadratkilometern.

Die Anfänge der Wall-Graben-Systeme liegen in den Jahren nach 1297, nachdem der Stadt offiziell eine Feldmark anerkannt wurde. Erstmalige Erwähnung einer Landwehr ist für das Jahr 1353 urkundlich gesichert, 1386 war die Altstadt Lemgos erstmals vollständig durch Landwehren umfriedet. Der Ausbau des vielfältigen Landwehrsystems wurde schließlich im späten 16. Jahrhundert abgeschlossen.

Bereits im 19. Jahrhundert wurden die Lemgoer Landwehren in der Heimatforschung erwähnt, ohne wirklich wissenschaftlich untersucht zu werden. Dies änderte sich im Jahre 1921, als der Gymnasialprofessor Ernst Weißbrodt einige Abhandlungen über das Schutzbauwerk veröffentlichte. Weitere Untersuchungen folgten ab den 1980er-Jahren, unter anderem fanden auch vier archäologische Grabungen statt.

Die Landwehren der Stadt Lemgo haben sich vor allem in den ausgeprägten Waldgebieten, die die Stadt und umliegenden Dörfer umgeben, teilweise noch sehr gut erhalten, sodass sie noch an vielen Stellen zu besichtigen ist. Teilweise sind zudem Informationstafeln aufgestellt.

Nähere Informationen zu den Landwehren

Das Lemgoer Landwehrsystem

Der älteste Landwehrabschnitt umgab die Stadt im Westen und Norden. Er begann westlich der Altstadt am Alten Fluss und reichte – nach kleineren Korrekturen, die später eingebracht wurden – östlich von Lemgo bis an die Bega heran.

Ein weiterer, wichtiger Ausbauschritt des Wall-Graben-Systems, die „neue Landwehr“, wurde nach der Vereinigung der Lemgoer Alt- und Neustadt in der Mitte des 14. Jahrhunderts errichtet und umgab die Feldmark im Westen und Süden jenseits der Bega.

Die insgesamt längste Landwehr umgab die Lemgoer Mark im Nordosten der Stadt. Mit ihr wurden Wald- und Wirtschaftsbereiche der Stadt gegen Einflüsse von außen abgeschirmt.

Bis ins 16. Jahrhundert hinein errichteten die Lemgoer Bürger weitere Landwehr-Teilabschnitte, die Neuerwerbungen der Stadt in Form von Ländereien und Wirtschaftswäldern absichern sollten und unübersichtliche Besitzungen zusätzlich abriegelten. Daher sind sowohl im Südosten, Norden und Westen der Stadt weitere Wallabschnitte nachgewiesen oder gar erhalten.

Übersichtskarte der Lemgoer Landwehren (Grundlage: GeoBasis NRW 2020; Bearb.: Altertumskommission/Jüngerich).

Bestandteile der Landwehr

Der Großteil des Landwehrsystems wurde als einfacher Wall mit begleitendem innerem und äußerem Graben angelegt. Auf dem Wall wurde als zusätzlicher Schutz eine dichte Wallhecke gepflanzt. Allerdings gibt es auch Abschnitte, die aus zwei Wällen und drei Gräben errichtet wurden – später um einen weiteren Wall ergänzt. Im Osten ist ein Teil der Landwehr sogar vierzügig. Einige Bereiche verzichten auf einen Innengraben oder nutzen natürliche Klippen.

Für die Lemgoer Landwehr sind zudem mehrere Durchlässe bezeugt, die auf unterschiedliche Weise gesichert wurden. Dies erfolgte generell durch einfache Schlagbäume, die hochgezogen oder weggeklappt werden konnten.

Eine Besonderheit für das vorliegende Schutzsystem bilden die sogenannten „Turmhöfe“. Diese respektablen Gebäude befanden sich an den wichtigsten Fernstraßen, die in die Stadt führten und bestanden aus Schlagbaum, Wohnhaus und zugehöriger Warte. Die Pächter eines solchen Turmhofes erhielten automatisch das Bürgerrecht und galten als angesehene Leute.

Neben den Turmhöfen sind insgesamt 12 Warttürme belegt, von denen acht sicher verortet werden können. Diese dienten vor allem im Fehdefall dem Schutz von Fern- und Handelswegen und der Beobachtung von Feindbewegungen.

Kartenzeichnung des "Liemer Turms" von 1590 (LA NRW, Abt. OWL, D 73, Tit. 4, Nr. 5630).

Ende und Wiedergeburt der Lemgoer Landwehren

Wurde das Landwehrsystem der Feldmark Lemgo im 14. Jahrhundert mit der Entwicklung der Stadt zum wirtschaftlichen Zentrum der Grafschaft großflächig ausgebaut, so ging sein Niedergang ebenfalls mit dem der Stadt einher. Spätestens nach dem Ende des 30-jährigen Kriegs 1648 konnte die Stadt die Bauwerke nicht mehr ausreichend finanzieren und unterhalten. Den Todesstoß versetze dem Wall-Graben-System die sogenannte „Münster’sche Invasion“ von 1675-1678, in deren Folge die Einwohnerzahl der Stadt rapide abnahm. Viele Landwehrgrundstücke wurden an Bauern verkauft und damit die Wälle und Gräben der Einebnung preisgegeben. Bis in die 1960er-Jahre verschwanden auf diese Weise große Teile der Befestigungen.

Die Rückbesinnung auf die städtegeschichtliche Bedeutung der Landwehren erfolgte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sodass im Jahre 1980 große noch erhaltene Landwehrteile als Bodendenkmale unter Schutz gestellt wurden. Im selben Jahr wurde ein 33km langer Rundwanderweg entlang der Landwehr östlich von Lemgo eröffnet. Auf dem Biesterberg wurde zudem ein Naturschutzgebiet eingerichtet, welches Teile der Wälle umfasst.

Markierung des Lemgoer Landwehr-Wanderwegs (H. Hentschel).

Literatur

H. Hentschel, Die Landwehren der Stadt Lemgo. Landwehren in Westfalen 8 (Münster 2021).

H. Hentschel, Die Landwehr der Stadt Lemgo. Lippische Mitteilungen 83, 2014, 61-89.

K. Meier-Lemgo, Geschichte der Stadt Lemgo ³(Lemgo 1981).

L. Reich/F. Stapela/T. Steinlein, Baumbestände mittelalterlicher Landwehren im Raum Lemgo. Lippische Mitteilungen 83, 2014, 119-136.

E. Tape, Die Bedeutung der Lemgoer Landwehren. In: 800 Jahre Lemgo. Aspekte der Stadtgeschichte (Lemgo 1990) 75-101.

E. Weißbrodt, Heimatkunde. Die Lemgoer Landwehr. Lippische Post Jg. 74, 1921.

E. Weißbrodt, Die Lemgoer Landwehr. Lippischer Dorfkalender N.F. 1922.