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Die Großen Sloopsteene (Foto: Altertumskommission/L. Klinke).

Die Großen Sloopsteene bei Lotte-Wersen

Die Großen Sloopsteene liegen in der Gemeinde Lotte im Ortsteil Wersen unweit der Grenze zur Gemeinde Westerkappeln. Die Großen Sloopsteene sind eines der schönsten und besterhaltenen Großsteingräber Westfalens. Sie sind obertägig und fast ausschließlich aus nordischen Geschiebefindlingen errichtet.

Das Gelände um das Megalithgrab ist als Gabelin bekannt und befindet sich auf einem flachen, seicht nach Nordwesten abfallenden Hang, des etwa 600 m östlich gelegenen Rothen Berges. Dieser bildet einen der letzten Ausläufer des Wiehengebirges. Die Grabanlage liegt in einem 1,5 ha großen, lichten Waldstück, das bereits 1938 zum Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde. Dies geschah um das Megalithgrab vor Zerstörung zu schützen, da zu dieser Zeit keine entsprechende rechtliche Möglichkeit zum Schutze von Kultur- und Bodendenkmälern gab.

Die Anlage entspricht in ihrem Aufbau den nach ihrer typischen Zugangskonstruktion benannten Ganggräbern norddeutscher Prägung. Gräber dieser Art wurden von den Trägern der Trichterbecherkultur errichtet und zwischen 3500 und 2800 v. Chr. über mehrere Generationen als Bestattungsplatz genutzt. Sie finden sich im Norden von den nordöstlichen Niederlanden bis nach Dänemark und Südschweden, östlich bis nach Polen und südöstlich bis in die Altmark in Sachsen-Anhalt. Westfalen liegt am südwestlichen Rand der Verbreitung; hier liegen die Ganggräber in den nördlichen und westlichen Landesteilen mit den Kreisen Steinfurt und Borken sowie im Mindener Raum.

Nähere Informationen zum Großsteingrab

Aufbau und Grundriss

Die Anlage misst 18,5 m Länge bei einer Breite bis zu 1,8 m und ist ONO-WSW ausgerichtet. Sie ist von einem teilweise erhaltenen Kranz aus Findlingen umgeben, der einen 23, 5 m langen, heute nicht mehr vorhandenen Hügel an seinem Fuß abschloss. Es sind noch alle 26 Tragsteine und 11 Decksteine vorhanden. Nur noch fünf Decksteine befinden sich jedoch in ihrer ursprünglichen Lage (in situ). Die anderen wurden im Laufe der Zeit verschoben. Der Innenraum des Grabes war ursprünglich wohl einmal mit kleinen Kalkstein- und Sandsteinplatten gepflastert und zwischen den Findlingen befand sich einstmals ein Trockenmauerwerk. Ob die Decksteine ehemals vollständig vom Hügel bedeckt waren oder während der Zeit der Nutzung des Grabes teilweise sichtbar waren, ist nicht sicher.

Grundriss und Rekonstruktion; Zeichnung H. Schwieger 1927 (nach Sprockhoff 1975).

Funde

Im Jahr 2015 fand eine Grabung im Bereich zweier Schutthügel nahe des Grabes statt. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um die Aushübe einer nicht dokumentierten Grabung zu Beginn des 19. Jahrhunderts, bei welcher der gesamte Kammerinhalt ausgeräumt worden ist. Dabei kamen zahlreiche Scherben der Trichterbecher-kultur zutage, die typologisch zwischen 3200 und 2900 v. Chr. datieren. Außerdem fanden sich einige unspezifische Silexartefakte und große Mengen an Kalkstein- und Sandsteinplatten, die Teil einer Bodenpflasterung oder eines Trockenmauerwerks waren, welches den Kammerinnenraum zwischen den Findlingen versiegelt hatte. Bemerkenswert ist die Erhaltung mehrerer Knochenfragmente. An fünf Knochenfragmenten wurden AMS-Datierungen (Radiokarbon-Methode) vorgenommen, die auf ein Alter zwischen 3350 und 2900 v. Chr. schließen lassen.

Funde aus den Aushüben der Grabungskampagne 2015 (Foto: Altertumskommission/K. Schierhold).

Die Großen Sloopsteene im Volksmund

Um die Großen Sloopsteene ranken sich mehrere Sagen. So sei es angeblich nicht möglich die genaue Anzahl der verbauten Steine festzustellen, da ein Zauber auf dem Grab liege und jeder beim Zählen zu einem anderen Ergebnis käme. Ähnliche Erzählungen sind auch von anderen norddeutschen Megalithgräbern bekannt. Laut einer anderen Sage des 19. Jahrhunderts, liegt unter den Großen Sloopsteenen ein „Heidenkönig“ (in manchen Versionen der Sachsenherzog Widukind) in einem goldenen Sarg begraben.

Der Name des Megalithgrabes leitet sich von dem niederdeutschen Wort für „Sloop“ oder „Slop“ für „Schlüpfen“ ab und rühre wohl daher, dass man unter den noch aufliegenden Decksteinen hindurchschlüpfen könne, was Grimms „Deutscher Mythologie“ zufolge „… bei den heidnischen Deutschen ein abergläubischer Gebrauch“ gewesen sein soll.

"Notgeld"-Schein zum Heimattag 1922 (Foto: Archiv des Kultur- und Heimatvereins Westerkappeln e.V.).

Die Großen Sloopsteene als 3D-Punktwolke

Die 3-D-Punktwolke wurde mit "Image-Based-Modeling" erstellt. Sie ähnelt den Bildern von Laserscannern, wirkt jedoch wie eine digitale Kopie. Das Modell dient auch als digitale Vermessung, bei der die sichtbaren Unterseiten der Steine zu sehen sind.

Literaturverzeichnis

K. Schierhold, Die großen Sloopsteene bei Lotte-Wersen, Kreis Steinfurt. Mit Beiträgen von L. Klinke und C. Meyer. Megalithgräber in Westfalen 1 (Münster 2016).

L. Klinke, Wahrnehmung vergangener Landschaften. Studien zur Entwicklung einer Kulturlandschaft im nördlichen Münsterland vom Spätneolithikum bis ins Spätmittelalter aus emischer Perspektive. Veröffentlichungen der Altertumskommision für Westfalen 23 (in Vorbereitung).

Eine Auswahl weiterführender Literatur:

H. Aschemeyer, Sloopsteene. In: W. Zimmermann u. a. (Hrsg.), Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands 3. Nordrhein-Westfalen (Stuttgart 1963) 584.

N. Bödige, Heidnische Gräberfelder des Osnabrücker Landes. Niedersachsen 24, 1918/1919, 141-145.

W. Finke, Lotte-Wersen. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 1, 1983, 308. Nr. 353.

L. Klinke, Mehr als nur Steine. Die virtuelle Rekonstruktion der Großen Sloopsteene. Archäologie in Westfalen-Lippe 2017, 2018, 239-242.

L. Klinke, App ins Megalithgrab. Archäologie in Westfalen-Lippe 2018, 2019, 292–295.

L. Klinke, Mit VR-Brille ins Megalithgrab. Die Großen Sloopsteene in Westfalen. Archäologie in Deutschland 6/2020, 42-43.

L. Klinke, Virtuelle Massen-Bewegung. Das Megalithgrab Große Sloopsteene bei Lotte-Wersen, Kreis Steinfurt, in digitaler 3-D-Rekonstruktion. Ausgrabungen und Funde in Westfalen-Lippe 15, (im Druck).

A. Krebs, Die Grabung auf dem Gabelin am 4. Sept. 1925. Heimatjahrbuch des Kreises Tecklenburg 1925, 97-99.

K. Schierhold, Auf megalithischer Schnitzeljagd in Westfalen: Neues zu den Sloopsteenen und Co. Archäologie in Westfalen-Lippe 2014, 2015, 227-230.

K. Schierhold/L. Klinke/C. Meyer, Große Sloopsteene revisited: Erste Ergebnisse neuer Untersuchungen. Archäologie in Westfalen-Lippe 2015, 2016, 44-47.

C. Spannhoff, Zur Herkunft des Namens Sloopsteene. In: C. Spannhoff, Von Schale bis Lienen. Streifzüge durch die Geschichte des Tecklenburger Landes (Norderstedt 2012) 98-100.

E. Sprockhoff (hrsg. v. G. Körner), Atlas der Megalithgräber Deutschlands, Teil 3. Niedersachsen-Westfalen (Bonn 1975) 150 Nr. 984, Taf. 62, Atlasblatt 179.

B. Stapel, Lotte-Wersen, Kr. Steinfurt. Theiss Archäologieführer Westfalen-Lippe (Stuttgart 2008) 130-131.